Kleinkind isst aus einer Schüssel
© Hal Gatewood | Unsplash
Experten kritisieren Reduktionsstrategie für gesündere Fertigprodukte

Die Nationale Strategie der Bundesregierung für die Reduktion und Innovation von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten enthält aus Sicht von Professor Hans Hauner von der Technischen Universität München "eine Reihe handwerklicher Schwächen".

weitere Informationen

Während eines öffentlichen Fachgespräches zum Thema "Kompetenzcluster Ernährungsforschung in Deutschland" im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft am Montagnachmittag sagte Hauner: "Die Initiative war gut. Man darf es aber nicht als Selbstverpflichtung machen." Erfahrungen aus dem Ausland zeigten, dass Selbstverpflichtungen ohne klare Vorgaben und Sanktionsmöglichkeiten "in der Regel erfolglos sind".

Fast Food Produkte gesünder machen

Der Ernährungsmediziner machte darauf aufmerksam, dass die Ernährung in Deutschland nach wie vor bei weitem nicht dem entspräche, was etwa die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Das Essen der Deutschen sei im Durchschnitt immer noch viel zu energiereich und zu fett, und enthalte zu viel Zucker und Stärke in hochverarbeiteten Lebensmitteln, sagte Hauner.

Obwohl bekannt sei, dass der Einfluss der Ernährung auf die Gesundheit sehr stark ist - mehr als 20 Prozent aller Todesfälle sind seiner Aussage nach auf "schlechte Ernährung im weitesten Sinne" zurückzuführen - gebe es in Deutschland bislang "keine echte Präventionspolitik", kritisierte er.

Ein Lösungsansatz ist aus Sicht Hauners, beliebte Fastfood-Produkte gesünder zu machen. Das sei technologisch sehr einfach zu machen, "ohne dass die Produkte dadurch sehr teuer werden". Die Industrie werde aber diesen Weg nicht von sich aus gehen, gab er zu bedenken.

Prävention als Paradigma

Die Ernährungswissenschaften seien auf die Prävention orientiert, erläuterte Professor Tilman Grune vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke. Wesentliche methodische Instrumente seien dennoch gleichzusetzen mit der Medizin.

So seien für Ernährungswissenschaftler epidemiologische Kohortenstudien und Interventionsstudien interessant, um ihre wissenschaftlichen Hypothesen zu überprüfen. Die derzeit vorhandenen Studien würden jedoch nur randständig die Ernährung thematisieren, sagte Grune. Die in der Medizin üblichen multizentrischen Interventionsstudien gebe es de facto in der Ernährungswissenschaft nicht.

Training des Geschmacks in die falsche Richtung

Grune bezeichnete die Frage der Nachhaltigkeit als eine besondere Herausforderung. "Von einer gesunden Ernährung zu reden, ohne eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zu erwähnen, ist richtig schädlich", befand er. Hier gebe es für die Ernährungswissenschaften eine "klare Aufgabe für die Zukunft".

Auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit, Zucker in Lebensmitteln durch Süßstoffe zu ersetzen, sagte Grune, dies sei gefährlich. Weniger aus gesundheitlichen Gründen, so der Ernährungswissenschaftler, sondern weil damit ein "Training des Geschmacks in die falsche Richtung" erfolge.

Thema Ernährung fehlt im Medizinstudium

Professor Stefan Lorkowski von der Friedrich-Schiller-Universität Jena forderte dazu auf, die Reduktionsstrategie der Bundesregierung in ein größeres Gesamtkonzept zu stellen. "Ohne ein entsprechendes Bildungskonzept wird eine Reduktionsstrategie an ihre Grenzen stoßen", sagte er.

Zu kritisieren sei, dass das Thema Ernährung beim Medizinstudium "in so gut wie allen Fachdisziplinen" fehle. Hier bedarf es aus seiner Sicht einer "grundlegenden Überarbeitung des Curriculums".

Mit Blick auf die Ernährungsbildung in Kitas und Schulen, sagte Lorkowski, es gebe dort eigentlich das "ideale Setting", um mit regulatorischen Maßnahmen Erfolge zu erzielen. Gebe es in Kitas - mit entsprechenden Subventionierungsmodellen - verpflichtend eine vollwertige Verpflegung, könnten Kinder auf einen entsprechenden Geschmack geprägt und an eine entsprechende Ernährung gewöhnt werden, sagte er.

Der Biochemiker und Ernährungswissenschaftler sprach sich unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit gegen ein vollständig kostenloses Kita- und Schulessen aus. Ein eigenverantwortlicher Anteil der Eltern sei sinnvoll und helfe, "Abfall zu vermeiden".