Neue Bilder von Bäumen
Mit photonischen Verfahren den Wald vermessen und schützen
Die Brandenburgischen Wälder ächzten unter den aktuellen klimatischen Veränderungen, ihnen ist öfter zu heiß, sie haben Durst und erleiden Folgeschäden, beispielsweise durch Insekten oder Pilze. Der Forst, also der bewirtschaftete Wald, weist Baumbestände auf, die an die klimatischen Veränderungen aktuell nicht mehr besonders gut angepasst sind. Diese Probleme betreffen nicht nur den Osten Deutschlands, sondern in ihrer jeweils spezifischen Ausprägung bewirtschaftete Waldbestände weltweit. Nicht zuletzt wird weltweit viel Wald gerodet, um Holz zu verkaufen, und nicht ersetzt. Jan-Peter Mund, Professor für Geoinformationssysteme und Fernerkundung an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE), versucht den Herausforderungen, vor denen die Forst- und Holzwirtschaft heute steht, durch technische Lösungen in Teilbereichen zu begegnen. Dafür verwendet er Photonik, also Technologien rund um Licht, mit der Idee der Beobachtung von Naturwäldern und bewirtschafteten Forsten gleichermaßen.
Zu wenig digitale Daten über Wälder
Unsere Welt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner sind durchgezählt, vermessen, digital erfasst und sortiert – so jedenfalls das Lebensgefühl am Beginn des 21. Jahrhunderts. Es passt gut in dieses Bild, dass einer der wichtigsten Trends der Informationstechnologie „Big Data“ heißt. Umso erstaunlicher ist, wie wenig digitale Daten es in Deutschland über die Wälder und Forste gibt. Wie viele Bäume stehen auf einer bestimmten Fläche, wie groß oder wie hoch sind sie, wie ist ihre Struktur? Wenn jemand in Deutschland in seinem Bestand Holz bewirtschaften möchte, muss er zuvor einen Forsteinrichter beauftragen, der dann den Forstbestand einschätzt, die Fläche analysiert und zahlreiche forstliche Parameter zumeist analog schätzt. Vieles wird hier noch von Hand gemacht oder mit analogen Technologien durchgeführt und bleibt eine ungefähre Schätzung, u. a. auch wenn ein Stück Wald verkauft wird.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie bedeutsam die bildgebenden photonischen Verfahren sind, mit denen Prof. Mund in seinen innovativen Forschungsprojekten arbeitet, um die Waldstruktur dreidimensional zu erfassen und räumlich explizit abzubilden. Dabei werden u. a. Aufnahmesysteme mit zwei grundsätzlich verschiedenen photonischen Technologien eingesetzt. Bei der LiDAR-Technologie (Light detection and ranging) sendet die Kamera aktiv selbst genormte Laserstrahlung aus und kann so sehr präzise messen. Andere Kameras nutzen das Sonnenlicht passiv, d. h. sie nutzen die Belichtung und Rückstrahlung des Sonnenlichtes von einer bestimmten Fläche oder einem Objekt. Daher sind Messungen mit ihnen störanfälliger und von der Witterung beeinflusst. Die räumliche Auflösung der verwendeten Kameras ist dabei in Bezug zu setzen mit der Fläche, die abgebildet werden soll. Auch die verwendeten Trägersysteme unterscheiden sich methodisch und funktional. Sie reichen von Menschen, die einzelne Kameras in einem Stativrucksack in den Wald tragen, über Drohnen, Flugzeuge bis hin zu Satelliten, entsprechend dem gewünschten Detailgrad und der Größe der zu erfassenden Flächen.
Erkunden, ohne zu berühren
Das Verfahren, das Prof. Mund nutzt, heißt „Remote Sensing“ oder Fernerkundung. Denn bei der Vermessung der Wälder, die er in seiner Forschung verfolgt, wird die Oberfläche nicht berührt. Dieser Ansatz ist seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt und wird seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts weltweit verstärkt zur Vermessung der Welt genutzt. Die Informationen über die Erdoberfläche werden dadurch gewonnen, dass von ihr ausgehende oder reflektierte elektromagnetische Wellen oder Schallwellen gemessen und dann interpretiert und klassifiziert werden.
Wir propagieren Innovation, und suchen sowohl bei den Unternehmen, die Lösungen für die Forst- und Holzwirtschaft anbieten, als auch auf Seiten der Nutzenden mehr innovationsbereite Menschen, die neue Technologien aus der Fernerkundung einsetzen wollen.
Was Prof. Mund an der HNEE mit seinen Studierenden und in zahlreichen internationalen Projekten entwickelt und erprobt, findet gerade im deutschsprachigen Raum erst langsam Anwendung. „Wir propagieren Innovation, und suchen sowohl bei den Unternehmen, die Lösungen für die Forst- und Holzwirtschaft anbieten, als auch auf Seiten der Nutzenden mehr innovationsoffene Menschen, die neue Technologien aus der Fernerkundung einsetzen wollen. Hier bestehen drei große Hindernisse. Zum einen sind die Anschaffungskosten komplexer Systeme für den Forstsektor noch zu hoch. Zum zweiten gibt es in Deutschland regulatorische Hürden, das bei der Vermessung von Wäldern oder der volumetrischen Erfassung von Holzstämmen noch keine optischen oder digitalen Technologien eingesetzt werden dürfen. Da müsste der Gesetzgeber ran. Und zum dritten sind die deutsche Forstwirtschaft und deren handelnde Akteure eher traditionell verwurzelt“, fasst Prof. Mund die Situation zusammen, die er ändern möchte.
Eberswalde bildet neue Generation aus
Ein Ansatz, um die beschriebene Situation zu ändern und zu mehr Innovation anzuregen, ist der Masterstudiengang „Forest Information Technology“ (FIT) an der HNEE und der Warschauer Naturwissenschaftlichen Universität. Prof. Mund leitet ihn zusammen mit einem Kollegen aus Warschau. Hier werden Spezialistinnen und Spezialisten im Bereich der Informationstechnologie mit Schwerpunkt auf Wald und Umwelt ausgebildet. Im Studiengang nutzen sie Verfahren, die in der Grundlagenforschung entwickelt wurden, und bringen sie exemplarisch im Forstsektor in die Anwendung. Dabei wird verstärkt maschinelles Lernen eingesetzt, beispielsweise im Projekt WINMOL, bei dem durch Sturmschäden gestörte Forstbestände betrachtet werden, um zukünftig Schäden zu begrenzen. Mit Radartechnologie soll ein Windwurf-Gebiet detektiert und vermessen, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz sollen Stämme gezählt und vermessen und so Daten erhoben werden, die bisher kaum vorlagen. Innovation bietet auch das Start-up VINS 3D, das ein Absolvent des FIT Studienganges gegründet hat. Das junge Unternehmen bietet unter anderem einen „Waldscanner“ an, mit dem Einzelbäume und Bestände vermessen werden. Die Daten erfasst ein mobiles Multi-Sensor-System, bei der Auswertung kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz.
Der Blick von oben auf den Wald
Gefragt, was sich der international agierende Forscher für seine Heimat wünscht, betont Prof. Mund, dass das Land wunderbare Forstbestände hat. „Aber sie werden schon jetzt umgebaut, d. h. sie werden ökologisch verändert, damit man von Monokulturen wegkommt. Das kann unterstützt werden durch moderne forstliche Fernerkundung. Ich würde mir hier mehr Innovationsoffenheit und Interesse bei den Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern, bei Dienstleistern und von allen im Forstsektor Tätigen wünschen." Spannend ist sowohl für die Studierenden als auch für die Försterinnen und Förster, wenn sie durch die modernen Technologien den Wald von oben sehen, denn dieser Blick ist neu. Ein Perspektivwechsel, der gerne weiter gehen kann.
Über das Projekt PhoSenWOOD
Die Idee für die Clusterstory entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekts PhoSenWOOD – Einsatz von Photonik und vernetzter Sensorik entlang der Forst- und Holzwirtschaft (Wood). Ziel des Projekts ist es, den Einsatz innovativer photonischer Technologien und vernetzter Sensorik für die Bedarfe der gesamten „Wertschöpfungskette Holz“ zu erarbeiten, zu erproben und in Produkte umzusetzen.
Über Professor Jan-Peter Mund
Prof. Dr. rer. nat. Jan-Peter Mund hat eine ordentliche Professur für Geoinformationssysteme und Fernerkundung an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde in Brandenburg inne. Im Jahr 2018 wurde er mit einer Forschungsprofessur des Landes Brandenburg ausgezeichnet. Seit 2010 ist er als Senior Advisor für das UN-Wasserprogramm an der Universität der Vereinten Nationen in Bonn und für verschiedene EU-Forschungsprogramme tätig. Er ist Gutachter und Redaktionsmitglied der MDPI-Fachzeitschriften "remote sensing" und "forestry".