Mann lächelt in die Kamera

Wissenschaftsbotschafter Prof. Uwe Meinberg

Uwe Meinberg ist Lehrstuhlinhaber für industrielle Informationstechnik an der BTU Cottbus-Senftenberg. Er kommt aus Dortmund vom Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik, war lange Jahre Geschäftsführer eines Softwarehauses mit Schwerpunkten Logistik, Automobilzulieferer und Flughäfen.

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Prof. Uwe Meinberg im Gespräch mit Thomas Prinzler | rbb Inforadio

Wie wird man eigentlich Wissenschaftsbotschafter?

Ich hatte den Eindruck, man wird entdeckt, in gewisser Art und Weise, durch seine Aktivitäten, die man in der Wissenschaft aber auch in der brandenburgischen Wirtschaft hat. Und dann wird man gefragt, und wenn man ganz mutig ist, sagt man ja. Weil man am Anfang nämlich nicht weiß, was auf einen zukommt. Die Aufgabe – es ist jetzt nicht so, dass ich darunter leide und eine große Bürde hätte – die Aufgabe besteht im Wesentlichen darin, diesen Standort grade im Rahmen seiner internationalen Tätigkeiten bekannter zu machen und dazu beizutragen, dass das Land Brandenburg vielleicht den einen oder anderen Wirtschaftsführer überzeugen kann, hierhin zu kommen.

Und? Gibt es ein fürstliches Salär?
Bislang gab es, glaub ich, Handschläge. (Lacht) Nein, das ist ein Ehrenamt.

Als Wissenschaftsbotschafter ist man ja auch Diplomat: Was verkünden Sie der Welt vom Wissenschafts- und Technologiestandort Brandenburg?

Der beschränkten Welt, in der ich mich bewege, verkünde ich stets das, zu dem ich auch stehe. Das heißt, ich sage den interessierten Unternehmern und Unternehmerinnen namentlich im Ausland, in China, Russland, dass sie hier wirklich über eine hervorragende Infrastruktur im Lande verfügen, eine phantastische Vernetzung, und wenn sie in den Speckgürtel gehen oder wenn sie in die Ballungszentren im Land Brandenburg gehen, finden Sie eben diese sehr gute Verkehrsinfrastruktur, die Grundvoraussetzung ist für eine erfolgreiche Ansiedlung. Denn Produkte irgendwo preiswert herzustellen ist das eine, sie müssen aber auch irgendwo zu den Märkten kommen und dafür brauche ich eben die Möglichkeiten, die das Land Brandenburg hier bietet. Die potentiellen Partner sind an harten Fakten interessiert, also: Wo ist mein Markt und was bietet mir das Land als Standort an? Aber sie sind selbstverständlich auch an weichen Faktoren interessiert: Wo ist dann der Freizeit- und Erlebniswert? Und da ist Brandenburg schon sehr gut bekannt - und das zählt!

Jeder weiß, dass eine moderne Produktion etwa eines Autos, aber auch einer Zahnpastatube, ohne Computer und entsprechende IT-Systeme und Logistik nicht wettbewerbsfähig ist. Sie sind als Professor für industrielle Informationstechnik genau damit befasst – zum Beispiel mit der Optimierung von Logistikprozessen?

Ja, wir beschäftigen uns hier in Forschung und Lehre mit den Informationssystemen, mit denen ich Produktplanung betreibe, also CAD, Computer-Aided Designsysteme, mit Systemen zur Produktionsplanung und mit denen ich Logistikabläufe plane. Als Beispiel ein kleines aktuelles Projekt, was wir derzeit bearbeiten: Da geht es bei einem sehr großen Reifenhändler darum, eine Logistiksoftware zu entwickeln, damit er sein Reifenlager unter Kontrolle hat. Um die Dimension aufzuzeigen: Es liegen fast 400 000 Reifen in seinem Lager mit einem sehr, sehr schnellen Umschlag, über das Jahr hinweg gesehen. Da geht es darum, eine Software zu finden und zu installieren, die jeder Zeit die Übersicht liefert, wann ist welcher Reifen wo, welchen Kundenauftrag kann ich befriedigen und welchen kann ich vielleicht auch nicht befriedigen.

Welche Herausforderungen haben Sie sich hier gesucht, bzw. welche Herausforderung hat Sie gefunden?

Ich bin jetzt fast zehn Jahre hier in Cottbus an der BTU beschäftigt und insgesamt 30 Jahre in der Forschung tätig – und es geht mir so, dass man nicht kontinuierlich über die gesamte Zeit hinweg nur an einem Thema arbeitet. Sicherlich ist mein Schwerpunktthema die Logistik. Aber durch die fortschreitenden Entwicklungen, die wir immer haben in Technik und Technologie, ändert sich das Betätigungsfeld zwangsweise. So hab ich mich zu Beginn meiner Lebenszeit als Forscher und Entwickler mit dem Thema beschäftigt, wie man optimal Lagersysteme bauen kann. Und heute beschäftigen wir uns damit, wie man unbemannte Flugzeuge oder Fluggeräte einsetzen kann, um logistische Prozesse sicherer zu gestalten. Sie sehen, das ist ein ganz, ganz weiter Sprung. Und dieses – wenn Sie so wollen – am Puls der Zeit zu bleiben, zu merken, was entwickelt sich gerade und wo könnte man mit seiner Forschungsleistung und mit seinem Team noch Beiträge leisten, das ist das, was ich als Herausforderung schon sehen würde.

Jetzt sehen Sie mich verblüfft: Was haben Flugzeuge, Flugobjekte mit der Logistik zu tun?

Wenn man an Logistik denkt, dann sind das natürlich normaler Weise Transporte mit LKWs, auf der Schiene, mit Schiffen, mit Flugzeugen, es sind Dinge, die in der Produktion passieren. Aber interessant sind dabei auch Bewegungen von Personen in der Fabrik, Bewegung von Personen in öffentlichen Infrastrukturen, das kann ein Flughafenterminal sein, das kann ein Bahnhof sein, das können Personen auf Konzerten sein, genauso wie Touristen in einer schönen Region, wie hier, die wir im Spreewald haben. Dies ist auch eine Art logistischer Prozess, den es zu analysieren gilt. Und wenn Sie einen Ablauf analysieren wollen, zum Beispiel bei einem großen Konzert oder in einem Fußballstadion, spezieller noch beim Befüllen oder Entleeren eines Fußballstadions, dann stehen Sie vor der Aufgabe: Ich möchte jetzt die Bewegung der Person irgendwie erfassen. Wie geht das? Wir können natürlich viele Leute hinstellen, die Bleistiftstriche machen, um zu zählen. Das ist uneffektiv. Man kann natürlich auch automatische Überwachungssysteme nutzen. Eine Möglichkeit dazu sind eben diese unbemannten Flugobjekte, manche nennen sie auch Drohnen, die wir einsetzen, mit Kameras ausgestattet, um Bewegungsprofile von Personenströmen zu ermitteln. Das hat sich im Lauf der Zeit weiter entwickelt, wir haben heute ein großes Simulationswerkzeug, mit dem man das Verhalten von Personen zum Beispiel auf einem Bahnhofterminal oder auf einem Flughafenterminal darstellen kann. Das Ganze ist sicherlich interessant vor dem Hintergrund, diese Systeme zu optimieren: Wie groß müssen Warteflächen sein, wie breit müssen Fluchttüren sein, wie sollen Treppenaufgänge gestaltet sein und Flure? Interessant und spannend wird das Ganze dann, wenn es um unerwartete Schadensereignisse geht, denken Sie bei einem Flughafenterminal vielleicht an Angriffe, denken Sie bei Konzerten vielleicht an Unfälle. Das sind Themen, mit denen wir uns auch aus logistischer Sicht beschäftigen.

Was hält Sie in Cottbus, was macht die Stadt interessant für den Wissenschaftler Meinberg?

Es ist nach wie vor der Standort attraktiv, wir sind hier sehr gut ausgestattet in Cottbus. Die Universität bietet insofern also ideale Möglichkeiten. Es ist eine sehr schöne Campusuniversität, und, weil die Universität ziemlich klein ist, gibt es hier ein sehr gutes Kooperationsklima, was an großen Universitäten, beispielsweise Dortmund, wo ich ja herkomme, begrenzt der Fall ist.

Welche Bedingungen finden Sie hier vor und welche wünschen Sie sich, so als Rahmenbedingungen für einen Forscher?

Also, sehen Sie, ein Forscher ist immer dann richtig glücklich, wenn er ganz, ganz viel Geld und ganz, ganz viele Mitarbeiter zur Verfügung hat, damit er ganz, ganz viel Forschung betreiben kann! Das ist eine Utopie, das wird in meinem Berufsleben sicherlich nicht mehr passieren und in den darauffolgenden Leben auch nicht. Was einem Forschungsstandort wie der BTU in Cottbus sicherlich hilft, ist Stabilität. Stabilität im Sinne von Planbarkeit dessen, was man in Zukunft hier noch tun kann, und dazu gehört natürlich eine ausgewogene Finanzierung.
Diese Stabilität kann aber eben nicht nur erzeugt werden dadurch, dass ich gezwungen bin, auf Bedarf und auf Zuruf neue Projektpartner zu akquirieren aus der Wirtschaft, die dann Geld geben, sondern es muss schon ein stabiles Maß an Grundfinanzierung seitens des Landeshaushaltes für so eine Forschungseinrichtung da sein. Man muss wissen, womit man in der nächsten Zukunft zu rechnen hat und man dann weiß, worauf man sich da einrichten muss und wie viel akquisitorischer Aufwand entweder bei Fördermittelgebern oder eben in der Wirtschaft dann noch zu treiben ist. Da sehe ich momentan ein bisschen Verbesserungsnotwendigkeiten.