Mann im Anzug

Wissenschaftsbotschafter Prof. Rolf Emmermann

Prof. Rolf Emmermann war Gründungsdirektor und langjähriger Vorstandsvorsitzender des heutigen Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. Der Geowissenschaftler studierte Mineralogie, Kristallographie und Geochemie in Braunschweig, Frankfurt und München.

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Prof. Rolf Emmermann im Gespräch mit Thomas Prinzler (rbb Inforadio)

Wissenschaftsbotschafter zu sein ist ein honoriges Ehrenamt. Welche Möglichkeiten hat man als Wissenschaftsbotschafter, welche Aufgaben?

Als Wissenschaftsbotschafter hat man vor allem die Aufgabe, das Neue Bundesland Brandenburg bekannt zu machen, sein Potential in Wissenschaft und Forschung darzustellen, Möglichkeiten eines „Know how“-Transfers aufzuzeigen und die Zusammenarbeit mit Unternehmen der Region zu befördern. Brandenburg verfügt heute über eine sehr gut aufgestellte Wissenschaftslandschaft mit insgesamt neun, vor 20 Jahren gegründeten, Hochschulen und über 30 außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die ein breites fachlich-thematisches Spektrum abdecken und hervorragende FuE-Leistungen erbringen. Die Bündelung dieser Aktivitäten und ihre verstärkte Nutzung für Kooperationen mit Unternehmen in der Region sind der Schlüssel für die zukünftige Entwicklung eines Landes, das nach der Wende von einem tiefgreifenden wirtschaftlichen Transformationsprozess betroffen wurde.

Schaut man auf das heutige Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum, dann ist das exzellent aufgestellt, arbeitet erfolgreich, Stichwort Tsunami-Frühwarnsystem, Erdbebenmonitoring. Wenn Sie an die Gründerzeit denken, was haben Sie vorgefunden, was wollten Sie erreichen?

Ich habe mich damals nach reiflicher Überlegung und intensiver Diskussion mit meiner Familie entschlossen, mich auf das Abenteuer einzulassen, in Potsdam eine neue Großforschungseinrichtung für Geowissenschaften aufzubauen, nach einer Konzeption, die ich selber als Federführender mit entwickelt hatte. Auf dem Telegrafenberg in Potsdam gibt es schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts geowissenschaftliche Forschungseinrichtungen mit Weltrenommee. Zur Zeit der DDR war hier das Zentralinstitut für Physik der Erde untergebracht, das in vielen Bereichen der Geowissenschaften gute Arbeit geleistet hat. Diese Einrichtung wurde Ende 1991 aufgelöst. Mit den hier bereits vorhandenen, hoch qualifizierten Wissenschaftlern und technischen Mitarbeitern und durch Gewinnung weiterer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Westdeutschland und dem Ausland konnte eine völlig neue Forschungseinrichtung aufgebaut werden, die vom Fächerspektrum her und ihrer Expertise auch heute noch weltweit einzigartig ist.

Der Telegrafenberg ist mit GeoForschungsZentrum, mit Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, Astrophysikalischen Institut und Alfred Wegner Institut etc. sicherlich das Wissenschaftszentrum des Landes Brandenburg. Wie wichtig ist für Sie eigentlich die örtliche Nähe, die Kooperation?

Beides ist wichtig. Es haben sich hier, natürlich auch befördert durch die räumliche Nähe, vielfältige Kooperationen und Forschungsnetzwerke entwickelt. Ebenso wichtig ist aber auch die Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen kooperieren gern mit starken universitären Partnern. Einmal, um Doktoranden auszubilden und qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen, zum anderen, um ihre eigene Expertise zur Entwicklung neuer, attraktiver Studiengänge einzubringen, und schließlich, um das disziplinäre Spektrum und die Forschungsmöglichkeiten insgesamt zu erweitern. Wir haben diesen Weg sehr konsequent beschritten. Leitende Wissenschaftler des GeoForschungsZentrums waren die ersten geowissenschaftlichen Professoren, die seinerzeit im Rahmen einer sogenannten gemeinsamen Berufung an der neu gegründeten Universität Potsdam ihre Arbeit als Hochschullehrer aufgenommen haben, d.h. noch bevor der eigentliche universitäre Teil der Geowissenschaften existierte. Es folgten gemeinsame Berufungen mit der Forschungsstelle Potsdam des Alfred Wegener Instituts, der Astrophysik und weiteren Forschungseinrichtungen. Die Universität Potsdam hat heute etwa 60 gemeinsam berufene Professorinnen und Professoren und damit ihrerseits die Chance genutzt, sich mit der außeruniversitären Forschung zu vernetzen und gleichzeitig hochattraktive neue Studiengänge zu entwickeln. Das GeoForschungsZentrum Potsdam ist über gemeinsame Berufungen aber auch mit der FU Berlin, der TU Berlin und der Humboldt-Universität verbunden, sodass die Geowissenschaften im Berlin-Brandenburger Raum heute einen klaren Schwerpunkt mit großer internationaler Ausstrahlung bilden.

Wie sieht es eigentlich mit Partnern in der Wirtschaft aus? Die sind ja gerade in den Geowissenschaften als Partner wichtig. Finden Sie die in der Region? Müssen Sie die von anderen Gegenden der Welt holen?

Einsatz und Entwicklung innovativer Technologien sind essentieller Bestandteil der Geoforschung. Wir haben eine Vielzahl von Kooperationen mit Partnern aus der Wirtschaft, national wie international, sowie von Beginn auch und über die Jahre deutlich zunehmend mit kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Region. Unser weltweites Netz von seismologischen Beobachtungsstationen, Geofon, und große geodätische Messnetze von GPS-Stationen, die das Rückgrat des von uns entwickelten Tsunami-Frühwarnsystems bilden, haben zu Innovationen in der Geräte- und Messtechnik aber auch in der Auswertung und Prozessierung großer Datenmengen geführt, an denen Brandenburger Firmen beteiligt waren. Besonders hervorheben möchte ich unsere Expertise in der Entwicklung und Nutzung von Geo-Satelliten zur Erdbeobachtung. Auf unseren Mini-Satelliten GFZ1 folgte mit CHAMP im Jahr 2000 unser erstes großes eigenes Satellitenprojekt, das wir aus Mitteln der Raumfahrtförderung in den Neuen Bundesländern eingeworben und mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR realisiert haben. Das Konzept von CHAMP wurde von der NASA übernommen und in der Zwillingssatelliten-Mission GRACE gemeinsam mit DLR und GFZ umgesetzt. Und im kommenden Jahr wird unter Federführung des GFZ die ESA-Mission „Swarm“ mit drei CHAMP-Typ-Satelliten zur Erforschung des Erdmagnetfeldes starten. 2015 folgt dann als GFZ-DLR Gemeinschaftsprojekt EnMAP, der erste Satellit zur hyperspektralen Erfassung von Erd- und Umweltparametern aus dem Weltraum.

Wenn Sie auf Potsdam, Brandenburg, den Telegrafenberg - auf die Region schauen: Welche Rahmenbedingungen sehen Sie, die förderlich sind, welche wünschen Sie sich?

Aus meiner Sicht sind die Rahmenbedingungen für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung hier sehr gut. Brandenburg zeichnet sich insbesondere durch eine Vielzahl an hervorragend aufgestellten außeruniversitären Forschungseinrichtungen aus, mit einer hohen Dichte in Potsdam und Umgebung und einem klaren Schwerpunkt im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich. Leuchttürme mit internationaler Sichtbarkeit und Attraktion sind dabei der Wissenschaftspark Albert Einstein auf dem Telegrafenberg und der Wissenschaftscampus Golm, beide in enger Kooperation mit der Universität Potsdam und weltweit vernetzt durch vielfältige FuE-Aktivitäten.

Deutlich zugenommen hat in den vergangenen Jahren die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der Region, befördert nicht zuletzt durch entsprechende Programme des Landes, des Bundes und der EU. Dabei sind es gerade die für die Wirtschaftsstruktur Brandenburgs typischen kleinen bis mittelgroßen Unternehmen, die bereit und besonders flexibel sind, technologische Innovationen und Entwicklungen aus der Forschung aufzunehmen, um sie in Produkte oder Anwendungen für die Praxis umzusetzen. Als Beispiel möchte ich das zukünftige europäische Navigationssatellitenprojekt GALILEO nennen, bei dem das GeoForschungsZentrum mit seiner GPS-Erfahrung und seiner geodätischen Expertise schon von Beginn an involviert ist. Wir sehen hier die große Chance, und haben auch schon entsprechende Konzepte erarbeitet, um zusammen mit einer Reihe von Firmen aus der Region völlig neue Messmethoden, Auswertestrategien und Anwendungen für die Praxis zu entwickeln.

Die Vision für die Region in 25 Jahren?

In 25 Jahren werden wir sicherlich zur Wissenschafts- und Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg zusammengewachsen sein und eines der Zentren von Forschung und Innovation in Europa bilden. Was die Geowissenschaften und insbesondere das Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam anbetrifft, werden wir die internationale Vernetzung und die Kooperation mit der Wirtschaft noch wesentlich ausbauen, um Beiträge zu leisten zu den großen Herausforderungen, vor denen die Weltgemeinschaft insgesamt und die Gesellschaft in Deutschland stehen. Hauptthemen werden dabei sein: das Energiesystem der Zukunft, Ressourcensicherung und nachhaltige Ressourcennutzung, der Umgang mit dem Klimawandel und Anpassungsstrategien, Naturgefahren und Risikominderung sowie alle mit der Umwelt zusammenhängenden Aspekte. Meine Vision ist, dass wir, in internationaler Arbeitsteilung, globale Netzwerke von terrestrischen, marinen und Satelliten-gestützten Beobachtungsstationen aufbauen zur Erfassung des Ist-Zustandes des „Systems Erde“ und seiner Kompartimente, zum quantitativen Monitoring von Veränderungen und zur Identifizierung von kritischen Entwicklungen.

Als Wissenschaftsbotschafter, was sagen Sie der Welt?

Ich versuche der Welt anhand von Beispielen aus den Geowissenschaften zu zeigen, dass Wissenschaft und Forschung relevante Beiträge zur gesellschaftlichen Daseinsvorsorge leisten und die Grundlage für Innovationen und neue Produkte sind. Dabei beziehe ich mich häufig auf den Telegrafenberg und präsentiere, was hier in den letzten Jahren erreicht werden konnte.