Mann vor Regal
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Wissenschaftsbotschafter Prof. Reinhard Hüttl

Reinhard Hüttl ist Wissenschaftlicher Vorstand und Vorsitzender des Vorstands des Helmholtz-Zentrums Potsdam – das Deutsche Geoforschungszentrum, Vizepräsident von acatech - der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften - und Lehrstuhlinhaber für Bodenschutz und Rekultivierung an der BTU Cottbus-Senftenberg. Er studierte Forst- und Bodenwissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i. Br. und an der Oregon State University, Corvallis, USA. Prof. Hüttl war u.a.

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Prof. Reinhard Hüttl im Gespräch mit Thomas Prinzler | rbb, Inforadio

Als Sie 1992 von Hawaii nach Brandenburg kamen: Wie ging es Ihnen da? Hawaii und Brandenburg – das ist doch wie Tag und Nacht?

Ja, das ist wie Tag und Nacht, und ich hatte mir das in meiner Lebensplanung auch nicht so vorgestellt. Als aber die Bitte kam, in Brandenburg an der Entwicklung der Wissenschaftslandschaft teilzuhaben, diese mit zu gestalten, war das eine bemerkenswerte Aufgabenstellung. Zunächst stand für mich das Thema Rekultivierung der vom Braunkohlentagebau in Anspruch genommenen Landschaften auf der Agenda. Das habe ich sehr gerne angenommen, denn dazu konnte ich meine Erfahrungen, z.B. aus Hawaii, nutzen. Dort war es zwar um Neuland nach Vulkanismus gegangen, aber letztendlich eben auch um die Entwicklung von Ökosystemen und Landschaften praktisch vom Punkt Null an. Dort Vulkanismus – hier in Brandenburg Eingriff durch den Tagebau und Wiederherstellung der Landschaften im Niederlausitzer Braunkohlerevier. Am Anfang war ich nicht davon ausgegangen, dass ich hier bleiben würde, aber die Aufgaben waren dann doch so spannend, die Rahmenbedingungen letztendlich so gut, dass es mich hier in der Region gehalten hat bis heute.

Ein Helmholtzzentrum ist ja per se ein Exzellenzzentrum, das GFZ in der Erdsystemforschung. Zum Themenspektrum gehören neben der Rekultivierung der Braunkohlentagebaue die Vulkan- und Erdbebenforschung ebenso wie das Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean, die CCS-Technologie und Fragen der Energiewende. Unter welchen Voraussetzungen ist die in Deutschland zu meistern?

Aufgrund seiner Vorleistungen – gerade im Bereich Regenerativer Energien – verfügt Deutschland grundsätzlich über das Potential, die Energiewende erfolgreich zu meistern. Dazu ist es aber notwendig, dieses große Vorhaben als Gemeinschaftswerk zu begreifen. Das heißt, die gesamte Gesellschaft, jeder von uns muss seinen Beitrag leisten. In Brandenburg haben wir bereits zweimal den Leitstern in der Gesamtwertung „Bestes Bundesland Erneuerbare Energien“ erhalten. Andererseits existieren aktuell 40 regionale bzw. lokale Initiativen gegen Windkraft. Neben der Photovoltaik sind Windkraftanlagen das zentrale Thema im Kontext Erneuerbare Energien hier bei uns in Brandenburg. Diese Situation belegt, dass es überall im Energiebereich Diskussionen gibt, nicht nur zur Kohle und zur Kernenergie, sondern eben auch bei den Regenerativen Energien. In jüngster Zeit kam auch noch eine kontroverse Debatte zur Biomassenutzung hinzu. Deshalb ist es eine Herausforderung, diese verschiedenen Ansprüche möglichst gut in Übereinstimmung zu bringen, also auszubalancieren.

Es gibt in der Region wenig vergleichbare Standorte mit so großer Historie wie den Potsdamer Telegrafenberg – Wetter, Klima, Erdforschung, Astrophysik – das Gelände ist nach seinem wohl berühmtesten Wissenschaftler Albert Einstein benannt. Worin sehen Sie Vor- und Nachteile ihres Standortes?

Von großem Vorteil hier auf dem Telegrafenberg sind für uns historisch gewachsene Wurzeln. Dies gilt für das GFZ beispielsweise für den Bereich Geodäsie sowie für die Erdbebenforschung. So war der hier 1909 ermittelte Schwerewert für gut sechs Jahrzehnte weltweit Referenzwert, so wurde am Telegrafenberg weltweit erstmalig die Fernaufzeichnung eines Erdbebens realisiert: 1889 gelang es Ernst von Rebeur-Paschwitz, ein Erdbeben, das in Japan stattgefunden hat, hier in Deutschland zu dokumentieren. Aus dem Blickwinkel der Geowissenschaften haben also die Geodäsie und die Erdbebenforschung ihre zentralen Wurzeln auf dem Telegrafenberg. Und dies gilt in ähnlicher Weise für die Astrophysik wie auch für die Meteorologie. Damit besteht die Chance, dass wir dort, wo es sinnvoll ist, sehr eng zusammen arbeiten, z.B. mit dem PIK, dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, oder dem AIP, dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam, oder auch dem Deutschen Wetterdienst, insbesondere aber mit dem Alfred-Wegener-Institut, das hier in Potsdam eine Außenstelle für die Permafrostforschung betreibt. In diese und viele weitere Kooperationen bringt das GFZ zahlreiche Daten und Erkenntnisse ein. Der Nachteil jedoch ist, dass der Telegrafenberg zwar wunderschön ist, dass wir aber aufgrund von Denkmalschutz sowie Naturschutz in unserer räumlichen Entwicklung begrenzt sind. Wir müssen also auf andere Standorte, wie demnächst dem Brauhausberg, ausweichen.

Was reizt Sie persönlich hier am Telegrafenberg, was veranlasst Sie zu bleiben?

Der Telegrafenberg ist eben nicht nur wunderschön, sondern genießt als naturwissenschaftlicher Campus international hohe Reputation. Insbesondere auch die Nähe zu Berlin bietet ideale Voraussetzungen für Wissenschaft, für Wissenschaftsmanagement und letztendlich auch für Politikberatung. Es gibt hier die Universitäten, konkret die drei Berliner und vor allem die Universität Potsdam als Partner von Geo.X (Eine Initiative der Universitäten und dem GFZ, die die Geowissenschaften mit den Ingenieur-, Natur-, Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften in den Forschungsschwerpunkten Naturgefahren und -risiken, Natürliche Ressourcen und Energierohstoffe sowie Menschliche Lebens- und Gestaltungsräume vernetzt).

Mit gemeinsamen Berufungen können wir den wissenschaftlichen Nachwuchs gemeinsam ausbilden, und natürlich können wir auch gemeinsam forschen. Für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland ist diese Region hoch attraktiv. Die jeweiligen Partner oder Partnerinnen finden hier Arbeit, die Kinder kommen in den Kindertagesstätten unter, sie finden hier Schulen und die Kultur ist da, tolle Freizeit- und Sportaktivitäten sind möglich, und die internationale Anbindung über die Berliner Flughäfen ist schon jetzt sehr gut und wird in Zukunft sicher noch optimiert werden. Das ist schon eine ideale Konstellation. Ich habe mich bereits seit 1991 in die Region eingebracht, da schwingt inzwischen auch Herzblut mit. Deshalb sehe ich keinen Grund, etwas anderes zu tun, als mich weiter – eben auch im Sinne eines Wissenschaftsbotschafters - für dieses Land Brandenburg, aber eben auch in der Interaktion mit Berlin, einzubringen.

Wie funktionieren der regionale Technologie- und Wissenstransfer, die Triade aus Außeruniversitären Instituten, Universitäten und der Wirtschaft.

Sie funktioniert gut, es gibt aber Optimierungspotential. Das hängt auch damit zusammen, dass wir erst vor wenigen Jahren wirklich erkannt haben, dass wir im Bereich der Geowissenschaften weltweit vermutlich die größte kritische Masse hier in der Region versammelt haben. Variablen Studierendenzahlen geschuldet, hatten die Universitäten in den harten geowissenschaftlichen Fächern, wie Geophysik oder Geodäsie, zunächst Entwicklungen vorgezeichnet, die nicht auf Ausbau gerichtet waren. Das hat sich inzwischen geändert. Aktuell entwickeln wir neue Wege, um in Europa, aber auch weltweit noch sichtbarer zu werden, und natürlich auch um Einfluss zu nehmen, z.B. beim Agenda-Setting, also beim Platzieren der aus unserer Sicht wichtigen Zukunftsthemen wie Naturgefahren, Ressourcenknappheit und globaler Wandel.

Als Wissenschaftsbotschafter ist man ja auch Diplomat. Was verkünden Sie der Welt vom Wissenschafts- und Technologiestandort Brandenburg?

Wir sind in Brandenburg – insbesondere was die naturwissenschaftlichen und technischen Aspekte anbelangt – hervorragend aufgestellt. Wir sind wettbewerbsfähig, auch wenn es nach wie vor Optimierungspotenzial gibt. Und was die Speckgürtel-Situation Brandenburg-Berlin anbelangt, so befinden wir uns in einer Phase, in der auch neue Arbeitsplätze in innovativen Unternehmen entstehen. Diese Entwicklung kann langfristig nur dadurch gesichert werden, dass wir weiterhin gute bzw. exzellente wissenschaftliche Forschung und Ausbildung realisieren – das ist meine große Vision für die Zukunft der Region, damit unsere großen Projekte in der Zukunft noch erfolgreicher sind als das in der Vergangenheit ohnehin der Fall war.