Mann steht in einem Gewächshaus

Wissenschaftsbotschafter Prof. Lothar Willmitzer

Seit 1993 ist Prof. Lothar Willmitzer Direktor am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm. Er studierte an der TU Braunschweig Chemie, war danach Wissenschaftler am MPI für Züchtungsforschung in Köln und Professor für Molekularbiologie an der Freien Universität Berlin.

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Prof. Lothar Willmitzer im Gespräch mit Thomas Prinzler | rbb Inforadio

Max-Planck-Forscher zu sein heißt, Grundlagenforschung zu betreiben. Sie interessiert, wie bestimmte Moleküle Gene in Pflanzen und Bakterien regulieren. Das gehört in den relativ neuen Bereich der Systembiologie. Was versteht man darunter?

Systembiologie versucht, das biologische System, also letztendlich natürlich irgendwann das Leben anhand von molekularen Parametern zu modellieren. Das ist ein Fernziel. Wir sind noch weit von diesem Fernziel entfernt, aber wir versuchen in diese Richtung zu marschieren. Systembiologie ist eine Kombination aus analytischer Chemie, aus Biologie und aus Mathematik.

…ist das wichtig zum Pflanzenwachstum oder Krankheiten?

Es ist mit Sicherheit auch wichtig für das Verständnis von Pflanzenwachstum und Pflanzenkrankheiten, aber, wie Sie richtig gesagt haben, Max-Planck-Forscher haben das große Privileg, dass sie ihrer Neugier folgen können und insofern sind die Max-Planck-Gesellschaft und die Wissenschaft der Max-Planck-Gesellschaft zunächst einmal nur der Neugier gewidmet. Dem unterliegt natürlich eine bestimmte Annahme, nämlich die Annahme, dass wirklich neue Entdeckungen nur gemacht werden, wenn sie nicht gesteuert werden. Denn wenn Sie schon wüssten, wo die entscheidende Neuentdeckung ist, dann könnten Sie es ja leicht steuern. Die Geschichte der Wissenschaft zeigt aber, dass es in der Regel misslungen ist.

Wenn Sie Grundlagenforscher sind, forschen Sie dann ohne jeglichen Nutzen vor sich hin?

Nein, das heißt es nicht. Wenn ich diese Frage auf mich persönlich beziehe, dann war es für mich immer wichtig und ist es auch heute noch sehr wichtig, zumindest eine Idee oder eine Vision über die mögliche Anwendung oder Umsetzung der erhalteen Ergebnisse für eine praktische Anwendung zu haben.

Woran forschen Sie gerade?

Eines der Projekte, das wir gegenwärtig in meiner Arbeitsgruppe verfolgen, ist es, Pflanzenwachstum auf der Ebene von kleinen Molekülen besser zu verstehen. Sie wissen, dass Pflanzen Vitamine enthalten, Aminosäuren enthalten, Zucker enthalten. Daneben gibt es noch viele andere, tausend solcher kleinen Inhaltsstoffe. Und wie diese zusammenspielen und wie dies letztendlich dazu führt, dass die Pflanzen wachsen, das ist das Entscheidende, was uns interessiert.

Und gibt es dafür eine Anwendungsidee? Zum Beispiel Pflanzen züchten für besondere Klimawandel-Bedingungen?

Das ist richtig. Eine der Forschungsrichtungen bei uns am Institut beschäftigt sich damit, zu verstehen, wie Pflanzen mit weniger Wasser auskommen können, bzw. bei höheren Temperaturen ebenfalls noch gut wachsen können. Insofern ist das eine in die Zukunft gerichtete und durchaus auch eine praktische Anwendung vor Augen habende Forschung. Zum heutigen Zeitpunkt gibt es natürlich viele andere Anwendungsmöglichkeiten. Eine ist die, dass wir versuchen, besser zu verstehen und dann eben auch vorherzusagen, welche Pflanzen in der Pflanzenzüchtung besonders gut wachsen können. Dazu verwenden wir verschiedene analytische Verfahren, die wir hier selber entwickelt haben plus mathematische Modellierungsverfahren.

Ihre Forschung legt auch Grundlagen für die personalisierte Medizin der Zukunft. Wo gibt es da Verbindungen, Kooperationen?

Wir haben tatsächlich einige Projekte gemeinsam mit Medizinern, sowohl hier vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke, als auch mit Medizinern von der Charité. Dabei geht es darum zu ergründen, ob bestimmte Verfahren, bestimmte analytische Verfahren, die wir hier entwickelt haben, gemeinsam mit Modellierungsverfahren auch bei medizinischen Fragestellungen eingesetzt werden können. Und tatsächlich sehen die entsprechenden Untersuchungen oder Projekte sehr vielversprechend aus. d.h., die Verbindung ist hier in der Technologie, in der Technologieplattform und in der Datenanalyse zu sehen.

Worin liegt das Potential dieser Forschung insbesondere international?

Jetzt darf ich für das gesamte Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie hier sprechen und da darf man in aller Unbescheidenheit ruhig sagen, dass dieses Institut auch international als schon fast einzigartig betrachtet wird. Es ist eines von sehr wenigen Instituten weltweit, die sich Stoffwechselprozessen, also der Untersuchung von Prozessen, die mit kleinen Molekülen ablaufen, in höheren Pflanzen widmen. Darüber hinaus haben wir eine sehr starke analytische Technologie im Haus und das kombiniert, ebenfalls im gleichen Institut mit einer sehr starken Bio-Informatik und Mathematik. Das ist schon sehr selten anzutreffen auf der Welt.

Und was hält Sie hier in Potsdam?

Na, mich halten schon viele Dinge hier. Das ist natürlich primär die wissenschaftliche Umgebung. Zum einen hier in Potsdam: Wir haben hier am Standort Golm zwei Fraunhofer-Institute, zwei Max-Planck-Institute und ganz entscheidend ein Großteil der Universität Potsdam, die naturwissenschaftliche Fakultät. Andererseits haben wir dann natürlich auch den starken Wissenschaftsbereich in Berlin, der nicht weit weg ist. Von daher glaube ich, ist es eine exzellente Umgebung, um zu versuchen, gute Forschung zu machen.

Woody Allen sagte: Wenn man nicht hie und da auf die Nase fällt, ist das ein Zeichen, dass man nichts wirklich Innovatives tut. Das gilt für Wissenschaft wie für Wirtschaft. Welche Erfahrungen haben Sie? Wie sind die Rahmenbedingungen hier?

Die Rahmenbedingungen sind natürlich grundsätzlich gut. Warum sind die gut? Die sind deshalb gut, weil wir hier ein Cluster haben, ein Zentrum von vielen wissenschaftlichen Aktivitäten im Bereich der Chemie, Physik, Mathematik, Informatik und Biologie, die lokal im Bereich Potsdam-Golm bis Potsdam-Griebnitzsee zusammenwachsen und zusammen kooperieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass es nicht riesig groß ist. Wenn die Masse überkritisch ist, dann bilden sich immer wieder Fraktionen. In Potsdam sind wir in gewisser Hinsicht zu klein, um Fraktionen zu bilden, d.h. wir müssen schon an einem Strang ziehen und das gelingt, glaube ich, ganz gut. Das heißt, die Kooperation mit den verschiedenen Universitäten als auch den verschiedenen Instituten, ist sehr, sehr gut. Nun ist natürlich nirgendwo alles nur gut. Was man sich nach wie vor wünschen würde ist, glaube ich, ein stärkeres Bewusstsein im Land Brandenburg für die Bedeutung und Notwendigkeit von Wissenschaft und Technologie und Ausbildung für die Zukunft des Landes. Das ist sicherlich partiell gut vorhanden, aber partiell noch entwicklungsbedürftig.

Was sagen Sie als Wissenschaftsbotschafter der Welt über Potsdam-Golm?

Ich glaube, dass Potsdam-Golm ein exzellenter Standort ist im Bereich der Lebenswissenschaften und der Chemie und der Physik, der Analytik. Ich glaube, dass es einzigartig ist in Bezug auf die Konzentration an Fraunhofer-Instituten, Universität und Max-Planck-Instituten und ich denke, es ist sehr attraktiv. Das sehen wir an der hohen Internationalität unserer Mitarbeiter.