Ferkel und Sau
© REWE | Sandra Ritschel

100% REGIONAL

Fleisch aus dem Umland für die Hauptstadtregion.

Schweine spielen gerne und sind intelligente, soziale Tiere – sagt die Forschung. Wenn man Schweine als Nutztiere hält, sollte man ordentlich mit ihnen umgehen – sagt Sebastian Kühn, geschäftsführender Gesellschafter der Eberswalder Gruppe. Das Familienunternehmen mit Sitz in Britz bei Eberswalde ist der größte Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren im Land Brandenburg. Die Marke kennt man vor allem in den neuen Bundesländern.

Doch Markenbekanntheit alleine sichert nicht, dass man als mittelständisches Unternehmen mit seinem Handwerk und den eigenen Wurstrezepten dauerhaft am Markt besteht. Und sie ist per se auch keine Garantie, dass man den ökologischen Fingerabdruck klein und das Wohl des Schweines hochhalten kann. „Der preisliche Druck auf uns ist enorm, sowohl von Seiten der Fleischlieferanten als auch von Seiten des Handels als Abnehmer.“

 

Fleischtheke Regional im Supermarkt
100% REGIONAL in der Theke


Was also tun, wenn man bis zu 500 Arbeitsplätze am Rande der Schorfheide und die regionale Versorgung mit Fleisch- und Wurstwaren dauerhaft sichern will? Kühn, der mit viel Herzblut über sein Geschäft spricht, erläutert die unterschiedlichsten Ansätze, mit denen ein regionaler Fleisch- und Wursthersteller sich von der üblichen Massenproduktion, die zentral auf günstige Preise zielt, absetzen kann.

Der spannendste aktuelle Ansatz ist ein Projekt, das dafür sorgt, dass die Schweine in der Region tiergerecht gehalten werden, dass die Verbraucher sich Fleisch leisten können, das besser schmeckt als die Massenware und bei dem alle Partner in der Lieferkette fair verdienen.

Der Name des Projektes: 100% REGIONAL. All dies ist keine Selbstverständlichkeit, denn gerade in der industriellen Fleischverarbeitung werden die Tiere zur Schlachtung in der Regel weite Wege transportiert oder das Fleisch beim Großhandel, der nicht vor Ort ist, eingekauft. Man kann nur anders agieren, wenn die Beteiligten die Prozesse neu denken und regionale Liefer- und Wertschöpfungsketten aufbauen, die für alle lohnend sind.

Der Name 100% REGIONAL ist Programm. Die Schweine artgerecht mästen, ihre Futtermittel anbauen, die Tiere schlachten, Fleisch und Wurst herstellen und die Ware verkaufen: Alles passiert in Brandenburg und Berlin. Doch wie schwierig es ist, in den gewachsenen Strukturen der überaus preissensitiven Lebensmittelbranche innovative Projekte wie dieses auf die Beine zu stellen, davon macht man sich als Verbraucher kaum ein Bild. Die Politik in Brandenburg ist sich dieser Herausforderung bewusst.

Das bei der Wirtschaftsförderung angesiedelte Clustermanagement Ernährungswirtschaft arbeitet seit Jahren an den Themen. Kühn engagierte sich hier in der ersten Zeit ehrenamtlich als Clustersprecher.

Für das aktuelle Projekt waren die im Cluster 2017 durchgeführten Perspektivgespräche wichtig. Ziel dieser Gespräche war es, eine gemeinsame Sprache und Vertrauen zwischen den verschiedenen Unternehmen aus Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel zu schaffen, um daraus ein klares Bekenntnis zur Zusammenarbeit zu erreichen. Dort entstanden die Kontakte, die man brauchte, um neue Wege zu gehen.

 

Geschäftsführer Sebastian Kühn | © Eberswalder/R.Sablotny

„Mit der Idee für 100% REGIONAL haben wir zunächst den Handel angesprochen. Denn ohne ein Commitment auf der Seite eines Abnehmers hätten wir nicht zu starten brauchen“, berichtet Kühn vom Beginn des Projektes vor zwei Jahren.

Mit der REWE Group (Region Ost) fand sich ein Handelspartner, der in Berlin, dem starken Markt für die Brandenburger Ernährungswirtschaft, ein gutes Standing hat.

Als nächstes mussten die Schweine gefunden werden. Keine einfache Sache, denn so viele Zucht- und Mastbetriebe gibt es in Brandenburg nicht mehr. Und man wollte ja einen Betrieb, der mit der Idee und den Standards des Projektes überzeugt mitgeht. Schließlich fand man den Erzeuger Ralf Remmert mit der Prignitzer Landschwein GmbH Neudorf.

Ein engagierter Mann, der schon länger daran arbeitet, seinen Schweinen eine gute, tiergerechte Umgebung zu bieten. Keine Gentechnik beim Futtermittel, Antibiotika nur nach tierärztlicher Verordnung und die Schwänze nicht kupieren sind weitere gar nicht einfach zu realisierende Ansätze von Remmert, die Bestandteil des Projektes sind. Für die Schlachtung fand man mit dem VION-Schlachthof in Perleberg ebenfalls einen zuverlässigen Partner vor Ort.

Zwei Jahre nach den ersten Gesprächen sind die Produkte jetzt in ausgewählten REWE-Läden in Berlin und Potsdam zu kaufen.

Kühn betont: „Wir freuen uns besonders, dass unsere Anstrengungen mit dem Brandenburger Innovationspreis 2019 der Ernährungswirtschaft belohnt wurden.

Bei Innovation denkt man ja oft an Start-ups oder kleine, hochspezielle Erzeuger. Doch gerade der Mittelstand in unserer Branche muss sich verändern, um langfristig am Markt zu bestehen. Ohne Innovation und Partnerschaften geht das nicht.“